
Du hast dich als studierter Diplom-Ingenieur 2015 für einen MBA Leadership & Human Resources entschieden – das klingt erst mal ungewöhnlich. Wie kam es damals dazu?
Auch in einer technischen Funktion sitzt man nicht den ganzen Tag nur am Schreibtisch und analysiert Daten, plant und optimiert. Ich war damals Werksleiter und da hat man vor allem mit Menschen zu tun. Das Unternehmen hat gewisse Ziele, und die stimmen natürlich nicht immer auf Anhieb mit denen der Mitarbeiter:innen überein. Gute Führungskräfte schaffen es, die Brücke zwischen Unternehmenszielen und persönlichen Zielen der Mitarbeiter:innen zu schlagen. Das hat dann einen positiven Effekt auf alle. Deswegen ist Leadership schon ein naheliegendes Thema.
„Der Mensch sorgt für die Exzellenz des Outputs.“
Je weiter ich im Unternehmen gewachsen bin und sich die Anzahl der Menschen, für die ich verantwortlich war, gestiegen ist, desto klarer wurde mir eines: Für Maschinen gibt es Drehregler und Knöpfe, um den Output zu optimieren. Aber es ist der Mensch, der den Unterschied in der Exzellenz des Outputs macht. Und Menschen haben keine Drehregler. Sie müssen und wollen in ihrer Entwicklung individuell begleitet werden. Wenn die Menschen ehrliches Interesse spüren, wenn sie Verantwortung bekommen und wachsen können, nur dann sind signifikante Erfolge möglich – und die machen alle zufriedener.
„Es braucht eine Multiplikation der eigenen Ideen.“
Außerdem habe ich immer wieder festgestellt, dass der Tag eben nicht unendlich lang ist und man nicht alles selbst machen kann. Es braucht eine Multiplikation der eigenen Ideen. Da ist das Thema Leadership zentral: beispielsweise die Visions- und Strategiearbeit. Also, wie man die Leute mitnimmt und entsprechende Roadmaps generiert – bis hin zu den Organisationstrukturen.
Was hat dich an der Vertiefung Human Resources interessiert?
Viele der genannten Aspekte – Mitarbeiterjahresgespräch, Entwicklungspläne, Performance Reviews und so weiter – werden von HR gesteuert und laufen auch dort wieder zusammen. Von daher war das für mich genau die richtige Kombination. Heute merke ich, dass es ungemein hilft, die HR-Perspektive als Führungskraft zu haben, um zu wissen, was auf operativer Ebene gewährleistet sein muss, um effektiv und effizient – aber eben mit dem Menschen im Fokus – voranzukommen.

Wie hat sich dein Verständnis von Leadership seitdem entwickelt?
Jeder weiß, dass Menschen zu Unternehmen kommen, aber – sofern keine anderen persönlichen Gründe mit reinspielen – nicht das Unternehmen verlassen, sondern immer die Führungskraft. Wir brauchen gute Leute, die lange bleiben. Ich habe den persönlichen Ehrgeiz eine möglichst gute Führungskraft zu sein, damit Menschen ihr volles Potenzial bei Knauf entwickeln und anwenden können.
„Menschen verlassen nicht das Unternehmen, sondern die Führungskraft.“
Auf diesem Weg möchte ich meinen Beitrag im heutigen War for Talents leisten und so gut führen, dass alle morgens gerne und motiviert zur Arbeit kommen. Das ist übrigens die sogenannte Bettkantenentscheidung: stehe ich auf und packe es an, oder bleibe ich liegen? Auf diese Weise sage ich Danke für die Chancen, die Knauf mir als Führungskraft gegeben hat.
Mittlerweile bist du als Direktor Technik der Knauf-Gruppe Zentraleuropa für rund 40 Werke mit über 2.500 Mitarbeiter:innen zuständig. Welche Themen beschäftigen dich derzeit?
Seit Beginn der Rolle habe ich mit allen Themen entlang und innerhalb der Wertschöpfungskette zu tun: Sicherstellen der Materialverfügbarkeit in Zeiten stark gestörter Lieferketten; Anpassen der Produktionskapazität in Zeiten hoher Nachfrage; Mitarbeiter:innen rekrutieren, onboarden und weiterqualifizieren und insbesondere während der Corona-Wellen für deren Sicherheit im betrieblichen Umfeld sorgen.
„Das MBA-Wissen ist extrem hilfreich, um mit Fachleuten auf Augenhöhe diskutieren zu können.“
Aber auch Themen wie Governance bis hin zu Change- & Communication Management spielen eine wichtige Rolle. Das MBA-Wissen ist extrem hilfreich dafür, um mit den Fachleuten aus den Bereichen auf Augenhöhe diskutieren, kollaborieren und letztendlich immer eine gute Lösung finden zu können.

Dein Start in der Funktion fiel genau in den Beginn der Corona-Pandemie, die uns auch derzeit wieder stark beschäftigt. Wie ist das für dich gewesen?
Das war schon speziell! Quasi mit Tag 1 einer kurzen Einarbeitung in die neue Rolle war ich mit dem Thema Corona beschäftigt. Gar nicht so einfach, einen riesigen Verantwortungsbereich in Deutschland und Österreich durch eine sehr ungewisse Zeit zu führen, wenn man noch gar nicht alle Führungskräfte und die Prozesse in den Werken intensiv kennenlernen konnte.
„Leadership und Vertrauen sind in der Krise das allerwichtigste.“
Zudem war während der ersten Welle der Pandemie die Lieferkette stark betroffen. Eine extreme Herausforderung, in der Leadership und Vertrauen das allerwichtigste waren. Einerseits wusste niemand genau, wo die Reise hingeht, andererseits galt es zu signalisieren: Ich entwickle einen Plan, ich kümmere mich und kommuniziere mit euch.
Wir alle mussten digitaler werden und ich musste lernen, die Werke während des Lockdowns remote aus Iphofen zu steuern. Vertrauen war da das essenzielle Element. Wenn das nicht gegeben ist, kannst du die besten Maschinen haben, aber das Ding geht schief. Ich bin wirklich stolz darauf, wie wir das damals und auch heute noch im Team gemeistert haben – und weiterhin meistern.
„Mir war wichtig, trotz Corona immer auch den Blick in die Zukunft zu richten.“
Gerade deswegen konnte ich auch trotz Corona und aller Herausforderungen relativ schnell in die Strategie- und Visionsarbeit rein. Mir war wichtig, ein Commitment für den Blick in die Zukunft zu haben. Jede Pause von den Corona-Themen haben wir genutzt, um in kleinen Gruppen Schritt für Schritt voranzukommen. Das war auch so ein Konglomerat aus allen Themen des MBA, die wir da anwenden konnten.

Du sprichst den MBA an. Was ist für dich der Wert einer solchen Ausbildung?
Ein großer Wert ist, dass man darin Kompetenzen entlang der gesamten Wertschöpfungskette entwickelt, echte Cases durchdenkt und mit Leuten aus der Praxis diskutiert – das ist wirklich sensationell. Und noch wichtiger: Man lernt, Themen aus völlig anderen Perspektiven zu betrachten.
Die interdisziplinäre Zusammensetzung des MBA hat mir unheimlich viel gegeben. Es waren ja nicht nur Leute mit HR-Hintergrund dabei, außerdem kamen die Menschen aus ganz verschiedenen Branchen und Organisationsformen, alle hatten viel Berufserfahrung. Daraus ist ein tolles Netzwerk entstanden.
„Die interdisziplinäre Zusammensetzung des MBA hat mir unheimlich viel gegeben.“
Zu reflektieren, warum jemand mit HR-Brille oder BWL-Hintergrund Dinge ganz anders bewertet als jemand mit Technik-Hintergrund, war sehr spannend. Als studierter Ingenieur war ich ja gewöhnt, dass es für alles eine eindeutige Antwort gibt. Diese Diskussionen mit Leuten wie Jörg Ritter, dazu Kaminabende mit CEOs und anderen spannenden Persönlichkeiten zu haben, das hat es dann so richtig rund gemacht.
Wenn du, mit dem was du heute machst, auf dein Studium zurückblickst, was sind die Dinge, die dir besonders helfen?
Gleich zu Beginn hatten wir mit Jörg Ritter das 7S-Modell von McKinsey, das er in den Kontext von Privatunternehmen gesetzt hat. Ich habe das damals zwar verstanden, aber erst mal noch nicht so den Wert darin gesehen – erst, als ich mich bei Knauf intensiv mit der Visions- und Strategiearbeit beschäftigt habe.
„Kritische Fragen und ehrliche Antworten – wo hat man das mit so hochkarätigen Führungskräften?“
Aber auch aus den Praxisdiskussionen hallt Vieles noch nach. Beispielsweise eine intensive Diskussion mit Thomas P. Wagner zum Thema Governance und Unternehmensführung im Rahmen eines Mergers. Kritische Fragen und ehrliche Antworten – wo hat man das mit so hochkarätigen Führungskräften?
Die Studienreise nach Boston bleibt ebenfalls in Erinnerung. Dort wurden uns viele praktische Perspektiven zum Thema Personalentwicklung eröffnet. Und wir haben Dave Ullrich kennengelernt, der uns, die alle keinen Kommunikationshintergrund hatten, sehr eindrucksvoll gezeigt hat, dass die Story, also die Art Erzählung, meist viel wichtiger ist als die Inhalte selbst.

Du bist als MBA-Student von Knauf entsendet worden. Was ist wichtig, damit eine Entsendung für beide Seiten erfolgreich ist?
Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, einen Sparringspartner zu haben, um gemeinsam das Erlernte und den weiteren Weg im Unternehmen reflektieren zu können. Idealerweise hält dir diese Person auch mal im Unternehmen den Rücken frei. Man darf nicht vergessen, dass man durch Seminarphasen immer mal wieder ein paar Tage nicht bei der Arbeit zur Verfügung steht. Da hatte ich bei Knauf zum Glück die volle Unterstützung – ein großer Dank an dieser Stelle an Manfred Grundke und Carlo Knauf, die mir genau dies ermöglichten.
„Man entwickelt im MBA neue Perspektiven, geht ganz anders an Themen heran und entfaltet dadurch auch eine andere Wirkung.“
Was ich nicht empfehlen würde, ist die Entsendung an vordefinierte Karriereschritte zu knüpfen. Natürlich schaut man, wie die Entsendung in den Unternehmenskontext passt und welche Potenziale sich dadurch ergeben. Aber erst mal sollte es als Investition in eine Person betrachtet werden, die gezeigt hat, dass sie mehr kann und will – alles weitere ergibt sich dann.
Die Person entwickelt im MBA neue Perspektiven, geht ganz anders an Themen heran und entfaltet dadurch auch eine andere Wirkung. Deswegen kann es auch sein, dass sie für andere, neue Themen infrage kommt. Dafür offen zu bleiben, und im ständigen Dialog die Entwicklung zu reflektieren, darin sehe ich sowohl für die Studierenden als auch für die Unternehmen die größte Wertschöpfung.
Abschließend noch eine Frage: Was ist dein Tipp für nachfolgende Studiengenerationen an der Quadriga Hochschule?
Der MBA eröffnet dir neue Themen, Perspektiven und Ansätze. Deswegen ist ein wichtiger Punkt, mit einer großen Neugier reinzugehen. Und diese Neugier ist auch als Führungskraft essenziell. Man sollte nicht den Fehler machen, aus dem Büro heraus die Welt verbessern zu wollen.
„Veränderung passiert nicht von allein – Du selbst hast diese in der Hand!“
Um Dinge zum Positiven zu verändern, muss man mit den Leuten sprechen, die für die Prozesse stehen – und erkennen, wie man ihnen eine Hilfe sein kann. Nur mit gegenseitigem Vertrauen können sich Ideen multiplizieren. Veränderung passiert nicht von allein – Du selbst hast diese in der Hand!








