Als #EuropaLena ist sie in den Wahlkampf gezogen, nun sitzt Lena Düpont als jüngste CDU-Abgeordnete im Europäischen Parlament – im Interview spricht die Alumna der Quadriga Hochschule Berlin über ihre Leidenschaft für Europa, die turbulenten ersten Monate in Brüssel und ihre Ziele für die anstehende Legislaturperiode.
Herzlichen Glückwunsch zur Wahl ins Europaparlament! Als Abgeordnete bist du neu dabei, blickst aber schon auf einige Erfahrung in Brüssel zurück. Woher kommt deine Begeisterung für europäische Themen?
Vielen Dank! Der Ursprung ist ein Betriebspraktikum, das ich in der 11. Klasse in Tschechien gemacht habe. Das war kurz bevor das Land 2004 in die Europäische Union aufgenommen wurde. Da hat man aus einer ganz anderen Perspektive gesehen, mit welcher Selbstverständlichkeit wir in Deutschland als Teil der EU aufwachsen und was das Versprechen von Frieden, Freiheit und Stabilität für eine Gesellschaft bedeuten kann, die das vorher in der Form noch nicht erlebt hat.
Daraufhin habe ich in meinem Diplomstudium einen großen Schwerpunkt auf das Thema Europa gelegt und dann ist eins zum anderen gekommen. Aus einem Praktikum bei Eva Klamt (CDU) ist eine feste Mitarbeit geworden, später habe ich für Renate Sommer (CDU) gearbeitet und auch als Referentin für Europa und Bundesangelegenheiten im Deutschen Reiseverband war ich viel in Brüssel tätig.
Wie ist das Gefühl nach den ersten Monaten als Abgeordnete – Ist der europäische Geist zu spüren oder ist es nach dem Kampf um die Kommissionspräsidentschaft ein Gefühl der Zerrissenheit?
Wenn ich die Situation mit der vor zehn Jahren vergleiche, dann ist der Ton im Parlament deutlich konfrontativer geworden. Aber es gibt nach wie vor eine klar pro-europäisch orientierte Mehrheit hier im Haus und wir sind alle froh darüber, dass die rechtspopulistischen Parteien nicht so stark geworden sind wie befürchtet. Für uns im Parlament ist es eine der wichtigsten Aufgaben, dass dieser Anteil so klein wie möglich bleibt. Das sollten alle als Auftrag sehen, die eine pro-europäische Ausrichtung haben.
Rund um die Frage der Kommissionspräsidentschaft gab es allerdings Machtspiele, die zunächst zwischen Rat und Parlament, dann aber auch zwischen den pro-europäischen Fraktionen im Parlament stattgefunden haben. Nach der Sommerpause hat nun die inhaltliche Arbeit begonnen und wir werden sehen, ob es innerhalb des Parlaments die nötige Kompromissfähigkeit gibt, um eine starke Einheit in den Verhandlungsprozessen mit Rat und Kommission bilden zu können.
Wie kann man sich den Alltag als Abgeordnete im Europaparlament vorstellen?
In der Regel fahre ich am Sonntag gegen Mittag los und bin donnerstagnachts wieder zu Hause in Gifhorn. Inhaltlich ist es ähnlich wie im Bundestag, es gibt also die Arbeit in Ausschüssen, die in der Fraktion, Plenarsitzungen oder Gespräche mit Interessenvertretungen. In Berlin verteilen sich die Sitzungen jedoch auf die einzelnen Wochentage, während das im Europaparlament gebündelt ist – wir haben also eine Ausschusswoche, eine Fraktionswoche, eine Plenarwoche und die sogenannten Grünen Wochen – die Zeit für die Arbeit in den Wahlkreisen. Da diese aber zur gleichen Zeit wie die Delegationswochen stattfinden, ist die Zeit sehr begrenzt. Für die Arbeit im Wahlkreis habe ich also die „Sommerpause“ genutzt – die damit nicht wirklich eine Pause war.
Was sind deine ersten Projekte, die du als Abgeordnete angehen willst?
Neben der Arbeit in den Ausschüssen ist mir eine Sache sehr wichtig, die ich unter dem Begriff „Institutionelles Aufräumen“ zusammenfasse. Wir sollten es innerhalb der Legislaturperiode schaffen, eine handlungsfähigere Kommission aufzustellen. Die Entscheidung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, eine politisch, geographisch und geschlechtlich ausbalancierte Kommission zu bilden, die entlang ihrer Prioritäten aufgestellt und insgesamt politisch schlagkräftiger ist, ist ein wichtiges Signal dazu. Darüber hinaus sollte das Mehrstimmigkeitsprinzip im Rat ausgeweitet werden und perspektivisch das Einstimmigkeitsprinzip ersetzen, damit wir insbesondere in außen- und sicherheitspolitischen Fragen schneller handeln können.
In der Ausschussarbeit haben wir beim Thema Asyl und Migration auf europäischer Ebene einen riesen gordischen Knoten vor uns liegen. Den gilt es auch auf dieser Ebene zu lösen, denn nationalstaatliche Lösungen werden den Herausforderungen nicht gerecht. Insgesamt muss der Dreiklang aus humanitärer Verantwortung, Schutz der Außengrenzen und Unterstützung der Herkunftsländer stärker fokussiert werden. Die Zusammenarbeit mit dem Rat als Vertreter der Nationalstaaten war da bisher aus unterschiedlichen Gründen schwierig.
An der Quadriga Hochschule hast du Public Affairs & Leadership studiert, bist jetzt als Politikerin aber quasi auf der Gegenseite – inwiefern hilft das Studium im Verständigungsprozess mit der Public-Affairs-Seite?
Ich kam ja schon aus der Politik in das Studium hinein, deswegen war das für mich eine Art Ergänzung zu dem, was ich schon an Wissen zu den politischen Abläufen und Zusammenhängen hatte. Was mir sehr geholfen hat, ist die Frage nach den Kriterien guter Interessenvertretung. An der Quadriga Hochschule geht es ja auch darum, die Ausbildung zu professionalisieren, um sich auf Augenhöhe begegnen zu können. Was beide Seiten eint, ist das gute Argument – ein sachlich fundierter, gut aufbereiteter und mit Zahlen hinterlegter Vortrag kann jedem politischen Prozess nur guttun.
Meine Aufgabe als Politikerin ist es dann, mir die Argumente anzuhören – gegebenenfalls fehlende einzuholen – und dann innerhalb des politischen Kontextes zu gewichten. Was mir aus dem Studium hilft, ist das Wissen um den Aufbau und die Prozesse von Organisationen und ihren Positionierungen. Beispielsweise sagt die zahlenmäßige Präsenz von Lobbyvertretungen noch gar nichts über deren Gestaltungsgrad aus. Je nach Größe der Repräsentanzen kann es sogar sein, dass es umso länger dauert mit den Positionierungsprozessen und der Sprachfähigkeit.
Fridays for Future, Artikel 13 oder das Rezo-Video – die jüngere Generation hat derzeit viele Reibungspunkte mit der Politik im Allgemeinen und der CDU im Speziellen – was könnt ihr auf europäischer Ebene tun, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen?
Ironischerweise ist die europäische Ebene ja gerade im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes sehr weit und wird absehbar sogar Grenzwerte übererfüllen. Ich glaube, was die Diskussionen uns gezeigt haben: wir brauchen Raum und Zeit für differenzierte Debatten. Hysterische, angstgetriebene Auseinandersetzungen bringen keinen weiter. Das fundamentale Grundprinzip muss die Fähigkeit zum Dialog und Kompromiss bleiben.
Was wir allerdings ohne Frage in der Partei besser machen können und müssen, ist in der Geschwindigkeit sozialer Medien zu denken und uns auch schnellere Antworten zuzutrauen.