Die Corona-Pandemie wird häufig auch als Digitalisierungstreiber bezeichnet. Gilt das für euch auch? Wie gut wart ihr vorbereitet?
Ja, das gilt auf jeden Fall auch für uns. Viele der klassischen Kommunikationswege funktionierten schlagartig nicht mehr und das Informationsbedürfnis war größer denn je. Zudem haben wir eine besonders sensible Zielgruppe – also Menschen, die beispielsweise ein geschwächtes Immunsystem haben oder schon schwer erkrankt sind. Uns blieb also gar nichts anderes übrig, als unsere Kommunikation zu digitalisieren, um den Kontakt zu den Patient*innen nicht zu verlieren.
Neben allerhand Veranstaltungsformaten wie Selbsthilfegruppen oder Sprechstunden galt das auch für die externe Kommunikation, beispielsweise für das Employer Branding. Wir haben innerhalb von wenigen Wochen Projekte so stark vorantreiben können, die sonst Jahre gedauert hätten.
Ganz unvorbereitet waren wir aber nicht. Gerade in der externen Kommunikation hatten wir schon eine gewisse Fanbase auf den digitalen Kanälen und die Erfahrungen aus Formaten wie Live-Chats konnten wir dann auch für die Kommunikation mit den Patient*innen nutzen.
Die Reichweite und Resonanz zu den Formaten war riesig. Gibt es eine Art Erfolgsrezept?
Am Anfang konnten wir uns das auch nicht erklären. Wir waren quasi „First Mover“ in unserer Branche, die Schnelligkeit war also auf jeden Fall ein Vorteil. Dafür muss man mutig und bereit sein, Fehler zu machen – das Lernen im Prozess ist ein wichtiger Faktor in allen digitalen Entwicklungen. Und wir haben tolle Expert*innen. Denen muss man einfach einen Rahmen geben, in dem Sie auf natürliche Weise mit ihren Patient:innen sprechen können.
Wir haben das Ganze auch recht früh kommuniziert, unter anderem über Pressemitteilungen. Da die Veranstaltungstipps in den Tageszeitungen weitgehend leer blieben, sind wir dort mit den digitalen Live-Chats aus dem Kreissaal gelistet worden – was normalerweise eher nicht passiert.
Dieses Format der Live-Chats haben wir beispielsweise auch für das Onboarding der Azubis genutzt, was viel Aufmerksamkeit in den Fachmedien generiert hat. Es war zwar „quick and dirty“, aber wir haben es einfach probiert. Erfreulicher Weise hat es auch funktioniert – und zwar ohne großen Invest in Software oder Ähnliches. Einfach ein Smartphone, ein paar Leute und los. Auf Facebook und Instagram erreichen wir so mittlerweile regelmäßig um die 50.000 Menschen. Das funktioniert auf organische Weise aber nur mit Live-Formaten. Derzeit probieren wir auch LinkedIn und TikTok aus, aber da sind wir noch nicht groß genug für solche Reichweiten.
Digitalen Formaten wird häufig nachgesagt, dass es ihnen etwas an Nähe oder Emotionalität fehlt. Wie siehst du das? Und gab es für dich vielleicht sogar einen Moment, der eine ganz andere Art von digitaler Emotionalität erzeugen konnte?
Ich finde, dass digitale Formate den analogen kaum hinterher sind, was die Emotionalität angeht. Es kommt wirklich darauf an, wie man die Gespräche führt – also ob man einen echten Dialog zulässt und auf die Leute eingeht. Dazu gehört, die Fragen der Zuschauer:innen vorzulesen, die Namen zu nennen und auch Rückfragen zu ermöglichen.
Ein Live-Chat mit unserer leitenden Hebamme ist mir noch besonders in Erinnerung. Da haben sich ihre Schwester und Nichte, die recht weit entfernt von Berlin leben, dazu geschaltet und ganz liebe Grüße ausgerichtet und ihr mitgeteilt, wie stolz sie auf sie und ihre Arbeit sind. Ein kleines Tränchen ist da schon geflossen.
Es melden sich aber auch ehemalige Patient:innen und teilen ihre schönen Erfahrungen mit den Hebammen, erzählen, wie viele Kinder sie in dem Krankenhaus zur Welt gebracht haben und dass sie es allen weiterempfehlen würden – sowas gibt es ganz, ganz viel. Für unsere Mitarbeiter:innen ist das unglaublich wertvoll, weil sie diese Geschichten auf anderen Wegen eher selten erreichen. Es gibt zwar mal eine Postkarte, aber der digitale Weg ist kürzer und das positive Feedback damit häufiger.
An der Quadriga Hochschule studierst du im MBA Leadership & Digital Marketing Management. Wie hat dich das für die Krise vorbereitet?
Sehr gut. Im Rahmen des Studiums haben wir uns verschiedenen digitalen Themen einerseits strategisch genähert, aber auch ganz pragmatisch und operativ Dinge gelernt. Es ging beispielsweise um Fragen wie: „Wer wünscht sich wann und wie einen Dialog? Und welche Tools helfen wo am besten?“
Ich wurde in den Seminaren motiviert, Dinge einfach auszuprobieren, so nach dem Motto: Wenn man nicht viel zu verlieren hat, einfach testen. Durch diese Mischung ist eine Denkweise entstanden, die einem später in Situationen hilft, an die man zu der Zeit noch gar nicht gedacht hat. Ich wurde befähigt, sehr schnell einen Perspektivwechsel auf die Herausforderung vorzunehmen.
Darüber hinaus ist das große Netzwerk ein wichtiger Aspekt. Man kommt aus seinem Alltag raus und lernt Leute kennen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, mit denen man sich austauschen kann und im Sinne der Schwarmintelligenz gegenseitig das Wissen wächst – natürlich auch außerhalb der Seminare.
Du wirst erstmals auf dem KKongress als Referentin dabei sein. Kannst du uns schon einen kleinen Einblick in dein Thema geben?
Ich werde darüber sprechen, wie wir mit es dem Newsroom als neues Organisationsmodell geschafft haben, in Coronazeiten schnell weg von der Krisenkommunikation zu kommen, hin zu einer serviceorientierten Kommunikation mit Patient:innen. Damit konnten wir den Dialog nicht nur aufrechthalten, sondern sogar ausbauen. Das wäre ohne dieses Prinzip des Newsrooms nicht möglich gewesen.
Unser Glück war natürlich, dass wir die Strukturen für den Newsroom schon vorbereitet hatten und erste Test Cases schon gelaufen waren. Den letzten Ruck dazu hat uns übrigens die Newsroom-Tagung an der Quadriga Hochschule gegeben. Als wir dann bereit waren, den Newsroom zu implementieren, hat uns Corona voll erwischt. Aber schon nach kurzer Zeit hat sich gezeigt, dass dieses Organisationsmodell gerade in Krisenzeiten bewährt.
Auf was freust du dich am meisten beim Kommunikationskongress 2020?
Aus Kommunikationssicht bin ich sehr gespannt auf die Vorträge der Kolleg:innen von Webasto und Tönnies, aber auch von den Unternehmen, deren Geschäftsmodell durch Corona völlig aus den Fugen geraten ist. Damit kommunikativ umzugehen, wenn alle internen wie externen Stakeholder umgehend Informationen erwarten, die häufig noch gar nicht auf gesicherten Erkenntnissen beruhen können, ist schon eine absolute Ausnahmesituation – beziehungsweise ein andauernder Ausnahmezustand.
Außerdem freue ich mich natürlich auf den Austausch mit Kolleg:innen, das Netzwerk zu erweitern und einfach mal frische Eindrücke für den beruflichen Alltag mitzunehmen.