Unter dem Titel „Der Mut und die Einigkeit“ hat Christoph Bornschein, einer der führenden Digitalexperten Deutschlands, im Morning Briefing der Quadriga Hochschule zur Rolle Europas im globalen Wettbewerb und den nötigen Fortschrittsnarrativen im digitalen Zeitalter gesprochen.
„Er ist ein klarer Denker und schneller Redner – auch am frühen Morgen“, kündigte Moderator Prof. Dr. Mario Voigt den Gast zum Morning Briefing an, zu dem zahlreiche Vertreter*innen aus Politik, Medien, Wirtschaft und NGOs sowie Studierende und Alumni am Campus der Quadriga Hochschule Berlin zusammen gekommen waren. Christoph Bornschein hielt Wort. Die Analyse zu Europas Marktposition fiel deutlich aus: „Wir sind die letzten Jahre nicht weitergekommen.“ Dazu die Zahlen: Kein europäischer Vertreter unter den Top 15 der digitalen Unternehmen, unter den Top 200 sind es lediglich sieben.
Europa muss seine Rolle als „Protector of Ideas“ stärken
„Wir hoffen in Europa auf die zweite Halbzeit, in der wir mit dem B2B-Geschäft einen Joker einwechseln“, fuhr Bornschein fort. Dabei sei es so, dass Unternehmen wie Amazon längst über B2C-Lösungen hinausgingen und großen Einfluss im B2B-Feld hätten. Sein Beispiel dazu: „Wenn Amazon eine Flotte von 10.000 Autos bei einem deutschen Autohersteller ordert, dann bestellen sie sozusagen leere Disketten – das deutsche Betriebssystem wollen sie nämlich nicht mehr.“
Bornschein ordnet Europa als „Protector of Ideas“ zwischen den USA als „Birthplace of Ideas“ und China als „Early Adopter of Ideas“ ein. Europas Standpunkt als Vertreter für freiheitliche Normen und Werte im digitalen Zeitalter hält er nach wie vor für einen richtigen. Allein, um diesen aktiver vertreten zu können, müsse Europa mehr zur Wertschöpfung im digitalen Raum beitragen. Andernfalls drohe der Kontrollverlust. „Dann bleibt nur noch die Frage, andere Technologien vollständig zuzulassen oder gänzlich zu verbieten“, so Bornschein.
Weg vom angsbesetzten Diskurs – hin zu einem chancenorientierten Multi-Stakeholder-Dialog
Seine Art des Wachrüttelns passt zur Tageszeit. Verbunden ist sie mit einem Appell für ein Umdenken hin zu mehr Mut: „Es gibt bereits viele digitale Erfolgsgeschichten und noch mehr Visionen.“ In ländlichen Regionen könne beispielsweise die Telemedizin einen großen Beitrag leisten, wenn kranke Menschen ihre Medikamente nicht mehr aus dem 20 Kilometer entfernten Ort holen müssten. Bornschein fordert daher, mehr in Chancen zu denken und über einen Multi-Stakeholder-Dialog zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft die Fragen anzugehen, wie wir in Europa leben wollen und welchen positiven Beitrag die Digitalisierung dazu leisten kann.
Diese Forderung greift er in der anschließenden Diskussion nochmals auf. Am Beispiel von „Fridays for Future“ zeigt er, wie Meinungen zu Bewegungen werden können – und wie hilflos und kontraproduktiv viele in der Politik damit umgehen. Dabei sei der Klimaschutz ein passender Anknüpfungspunkt für eine Diskussion, welchen Mehrwert die Digitalisierung dazu liefern könne. Bornschein nimmt hier jedoch alle in die Pflicht: „Es braucht eine Empörung über den technologiefeindlichen Diskurs in Deutschland, den wir alle viel zu lang als ‚okay‘ hingenommen haben.“ Jetzt gelte es, den angstbesetzten Diskurs mit Beispielen und Visionen in ein positives Zukunftsnarrativ zu überführen.
Die Quadriga Hochschule Berlin lädt regelmäßig Vertreter*innen aus Politik, Medien, Wirtschaft und NGOs zum Morning Briefing ein, bei dem renommierte Expert*innen Impulse zu Themen aus Kommunikation, Politik und Digitale Transformation geben und sich der Diskussion stellen. Christoph Bornschein ist einer der führenden Digitalisierungsexperten Deutschlands, der als Gründer und Geschäftsführer der Agentur TLGG viele DAX-Unternehmen und politische Institutionen berät. Zudem sitzt er an der Quadriga Hochschule Berlin im Beirat Leadership.