Studienergebnisse, Prognosen, Denkanstöße – unter dem Fokusthema „Zeit“ hat der Kommunikationskongress als größtes Treffen der Branche auch in diesem Jahr wieder wertvollen Input geliefert. Mit Blick auf die Beiträge unseres Professoriums, zwei Alumni-Vertreterinnen und Mitglieder des Beirats Corporate Communications ziehen wir ein Fazit aus Sicht der Quadriga Hochschule Berlin.
„Was ist der wichtigste Trend, der die Kommunikation mittelfristig beeinflussen wird?“, fragte Prof. Dr. Ana Adi zu Beginn ihres Panels in die Runde. Und die meistgenannte Antwort aus ihrer vorgestellten Studie PR2025 fiel auch unter den Zuschauern: „Schwindendes Vertrauen in bekannte Institutionen.“ Das gab nicht nur jede zweite dazu befragte Person in der Studie an, sondern war immer wieder Ankerpunkt in Vorträgen und Diskussionsrunden auf dem Kommunikationskongress 2019.
Druck auf Organisationen wächst – Bedeutung von Kommunikation steigt
„Der Druck auf Unternehmen wächst“, stellte auch Beiratsmitglied Clarissa Haller, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Siemens, fest. Für Prof. Dr. Christopher Storck (Titelbild) besteht das Problem vor allem darin, dass viele Organisationen durch Diversifikationsprozesse und globales Wachstum aus dem Blick verlieren würden, welchen gesellschaftlichen Beitrag sie eigentlich liefern – und wo dessen Grenze liegt. Während die Ansprüche an Organisationen stetig wüchsen, fehlten darauf klare Antworten.
Aus Sicht der PR-Profession ist diese Entwicklung Herausforderung und Chance zugleich. „Unser strategischer Einfluss wird umso größer“, führte Clarissa Haller in einer Diskussionsrunde aus, „denn es liegt an uns, den Unternehmenszweck für die Menschen greifbar zu machen.“ Ein Punkt, den Christopher Storck mit Bezug auf den Autoren Simon Sinek vertiefte: „Das Warum einer Organisation muss Ausgangspunkt eines jeden Strategieprozesses sein.“ Die Strategiefähigkeit ist unter 75 Prozent der Befragten in der PR2025-Studie auch zukünftig als die Kernkompetenz benannt worden.
Kommunikationsmanagement im Transformationsprozess
Während die Rolle der Kommunikation in Transformationsprozessen mehrfach unterstrichen wurde, zeigten andere Beiträge, dass die PR-Funktion selbst in einer Transformation steckt. „Die Unternehmenskommunikation muss Kontrolle abgeben und andere Abteilungen befähigen, selbst zum Storyteller zu werden“, formulierte es Alumna Nike Möhle (Vice President Corporate Communications & Corporate Responsibility bei Sonovia).
Martin Brüning (Leiter Unternehmenskommunikation bei der REWE Group) forderte gar das Ende der „Kommunikationspolizei“ und fügte an: „Kommunikator sein heißt Enabler sein.“ Ein Praxisbeispiel dazu lieferte seine Beiratskollegin Anke Schmidt (Leiterin Corporate Communications & Government Relations bei BASF), die in ihrem Unternehmen den Aufbau agiler Kommunikationsteams mit Expert*innen aus verschiedenen Bereichen und wechselnder Leitung vorangetrieben hat.
Potenzial der Digitalisierung noch nicht ausgeschöpft – aber wichtiger Einflussfaktor
Zur Umsetzung von Strategien und Maßnahmen reiche der „alte PR-Werkzeugkasten“ jedoch nicht mehr aus, so Clarissa Haller, die deutlich mehr Kommunikation in digitalen Räumen forderte. Während Digital Literacy mit 72 Prozent als wichtigste Fachkompetenz aus der PR2025-Studie hervorgeht, zeigte die Präsentation der Quadriga-Hochschul-Studie „Organisation der PR 2019“ durch Prof. Dr. René Seidenglanz und Prof. Dr. Jens Grundei, dass hier im Kommunikationsmanagement noch Nachholbedarf besteht. Rund 82 Prozent der Befragten gaben an, die Potenziale der Digitalisierung bisher maximal zur Hälfte auszuschöpfen.
Dabei seien es nach Clarissa Haller insbesondere datengestützte Analysen, die es den Kommunikationsabteilungen möglich machten, ihren Einfluss zu unterstreichen. Ein Bereich, der laut der 2019er-Studienergebnisse noch sehr unterschiedlich ausgeprägt ist: während Web Analytics in 80 Prozent der Abteilungen genutzt wird und einen positiven Einfluss auf die Effektivität von Kommunikationsmaßnahmen hat, liegt die Nutzung von weiteren digitalen Evaluationstools und KPI-Dashboards bisher bei unter einem Drittel.
Fazit: Zeit nehmen, um Kontrolle abgeben zu können
Dezentrale Strukturen sowie eine Vielzahl an Spezialthemen und digitalen Möglichkeiten sind drei Faktoren, die zu einem Umdenken im Kommunikationsmanagement führen (sollten). Es gilt, in eine beratende Rolle für die vielen Botschafter*innen einer Organisation zu wachsen – in strategischen wie digitalen Fragen. Damit steht das Kommunikationsmanagement vor einer großen Chance und sollte jetzt die nötige Zeit für den Aufbau entsprechender Kompetenzen und Perspektiven investieren, um später mit gutem Gewissen mehr Kontrolle abgeben zu können.
Wie man sich die Zeit für eine besondere Art von Austausch nimmt, zeigte Quadriga-Alumna Anja Kroll (Kommunikationsmanagerin Corporate Strategy bei AXA). In ihrem Vortrag teilte sie die Erfahrungen aus einem Job Swap mit einer Kollegin aus der Content Factory der Deutschen Telekom, bei dem sie sich gegenseitig für jeweils drei Tage in den Firmenzentralen besuchten und im Arbeitsalltag voneinander lernten.