Homeoffice, Video-Calls und digitale Events – das ist für viele von uns Alltag geworden. Eine Live-Schalte zwischen den Regierungschefs der USA, Frankreich und Deutschland zu organisieren, wie du es bei der Special Edition der Munich Security Conference (MSC) getan hast, werden aber wohl nur die wenigsten jemals erleben. Wie kann man sich die Stimmung in eurem Team an so einem Tag vorstellen?
Der intensivste Moment war am Freitagabend um 17:16 Uhr. Da saß ich mit unserem Geschäftsführer Benedikt Franke auf der Treppe im Festsaal des Hotel Bayrischer Hof, unser Blick gerichtet auf die großen Leinwände und wir sehen, wie der amerikanische Präsident Joe Biden im Weißen Haus vor die Kamera tritt. Emmanuel Macron stand da bereits an seinem Rednerpult und wenige Momente später, unmittelbar bevor es „on Air“ gehen sollte, taucht Angela Merkel auf. Da denkst du dir, wow, auf diesen Moment haben wir jetzt fast zehn Wochen lang Tag und Nacht hingearbeitet.
„Wow, auf diesen Moment haben wir jetzt fast zehn Wochen lang Tag und Nacht hingearbeitet.“
Die Dimension und Komplexität dieses Events waren riesig für die MSC. Wegen der Corona-Pandemie haben wir in den letzten Monaten nahezu alles digital erlebt. Aufgrund der Hochrangigkeit der Gäste war es uns wichtig, nicht einfach den zehntausendsten Video-Call zu streamen. Wir wollten das höchstmögliche Niveau bieten. Gemeinsam mit der European Broadcasting Union (EBU) und dem Bayrischen Rundfunk (BR) haben wir ein Konzept für eine dreistündige Live-Show in TV-Qualität entwickelt.
Neben den TV-Teams in Washington, Paris und Berlin hatten wir unter anderem Teams in Seattle bei Bill Gates, in Brüssel bei Ursula von der Leyen und Charles Michel und in London bei Boris Johnson. Von all diesen Orten wurde live in die Welt übertragen, überall war unser Logo zu sehen und es hat einwandfrei funktioniert – das macht einen schon Stolz in so einem Moment. Auch, weil es uns gelungen ist, dass sich der neue US-Präsident auf unserer Bühne mit seiner ersten großen außenpolitischen Rede an Deutschland und Europa gerichtet hat.
In aller Regel hätten wir so einen Tag standesgemäß gefeiert und ein Gläschen getrunken, aber im Bayrischen Hof fand natürlich alles unter stricktesten Hygieneauflagen statt. Das bedeutete auch, dass von unserem MSC-Team nur ein kleiner Teil an dem Tag vor Ort sein durfte. Deswegen haben wir uns die Feier bis jetzt noch aufgehoben und freuen uns einfach drauf, wenn wir das erste Mal wieder im gesamten Team zusammenkommen dürfen.
Wofür warst du bei der Veranstaltung genau zuständig in deiner Rolle als Director of Communications?
Gemeinsam mit einem Team aus 12 Mitarbeiter:innen habe ich im Wesentlichen an zwei Bausteinen gearbeitet. Der riesige Baustein war die Planung und Vertragsgestaltung mit dem BR und der EBU. Also wie es funktioniert, dass wir mit zwei externen Partnern eine dreistündige Live-Sendung hinbekommen, die auf allen Kontinenten im Weltbild-TV-Format angeboten werden kann. Das war für mich komplettes Neuland.
„Mit zwei externen Partnern eine dreistündige Live-Sendung für alle Kontinente zu planen, war für mich komplettes Neuland.“
Der zweite Baustein ist die klassische Kommunikationsarbeit gewesen, sprich Presse- und Medienarbeit sowie die digitale Kommunikation über eigene Social-Media-Kanäle. Es wurden Interviews vorbereitet, vermittelt und auch selbst geführt, wir haben zahlreiche Pressemitteilungen versendet und digitale Kommunikationskampagnen für verschiedene Zielgruppen ausgespielt.
Am Tag des Events kam der Web-Livestream dazu, der nicht nur über unsere eigenen Kanäle lief, sondern auch auf internationalen Nachrichtenseiten angeboten wurde – vom Spiegel bis zur New York Times – und somit eine riesige internationale Reichweite und Brand Awareness erzeugt hat.
Seit dem 1. März bist du nun Chief Operating Officer. Damit hast du eine neue Rolle, in der sicherlich viel kommunikatives Geschick gefragt ist, aber eben kein klassisches Kommunikationsmanagement. Was hat dich an dem Wechsel gereizt?
Entwicklung findet immer am Rande der Komfortzone statt, das ist Teil meiner Lebenseinstellung – auch im Privaten beim Bergsteigen. Manchmal ist das gefährlich, klar, manchmal braucht es jemanden, der einem die Hand reicht und einen begleitet, aber nur so macht es wirklich Spaß. Nach vier Jahren als Director of Communications hatte ich das Gefühl, dass ich zu sehr in der Komfortzone angelangt war. Deswegen musste etwas Neues her.
„Entwicklung findet immer am Rande der Komfortzone statt.“
Da ich für mein Leben gerne große und außergewöhnliche Dinge organisiere und das bei der MSC auf internationalem Niveau möglich ist, habe ich mich auf die neue Stelle beworben. Wir haben hier ein richtig tolles Team, es geht immer um wichtige und sensible Themen der Außen- und Sicherheitspolitik. Weltweit organisieren wir mehr als zwei Dutzend Konferenzen pro Jahr zu den drängendsten Themen der jeweiligen Region.
Außerdem fasziniert es mich, neue Organisationsformen und -prozesse in sich neu findenden Teams einzuführen und zu etablieren. Die Rolle als Chief Operating Officer gibt mir die Möglichkeit, im Herzen der MSC mit einem Team von rund 20 Mitarbeiter:innen genau das zu machen – also in einem tollen Team Ideen zur Realität werden zu lassen.
Jetzt unter Pandemiebedingungen die gesamte Planung der nächsten Münchner Sicherheitskonferenz anzugehen, mit all den Unwägbarkeiten, das ist natürlich sehr herausfordernd, macht mir aber auch super viel Spaß. Die Lernkurve ist gerade extrem steil – sowohl inhaltlich als auch was meine Leadership-Qualitäten angeht.
Wie definierst du denn gute Leadership-Qualitäten?
Ich habe zwölf Jahre bei der Bundeswehr auf dem Buckel und das hat mich natürlich geprägt. Was mir heutzutage auffällt, ist ein fast schon inflationäres Kursangebot im Bereich Agile Leadership. Dabei ist das Prinzip dahinter in vielen Organisationen seit Jahrzehnten gelebte Realität. Ich habe Teile davon bei der Bundeswehr sehr positiv erlebt.
Natürlich muss niemand zur Bundeswehr, um seine Leadership-Qualitäten zu verbessern. Es hat mich aber schon stark geprägt mit Anfang 20 verantwortlich zu sein für die Ausbildung von jungen Soldat:innen, die alle ganz unterschiedliche berufliche und private Hintergründe hatten. Ich kann allen nur empfehlen, sich im Ehrenamt auszuprobieren, oder zusammen mit anderen Menschen etwas zu organisieren, wie beispielsweise ein Rockkonzert oder ein Sport-Event. Das ist eine wunderbare Spielwiese und man lernt so viel an kommunikativen Fähigkeiten, die jede Führungskraft garantiert später brauchen wird.
„Ich bin garantiert nicht der Mikromanager, der den Leuten erklärt, wie sie einen Fuß vor den anderen zu setzen haben.“
Was mir als Führungskraft sehr wichtig ist, ist das Prinzip der Eigenverantwortung. Ich will meinem Team das Gefühl geben, dass sie von mir als Führungskraft die Ressourcen bekommen, die sie brauchen, um ihr Projekt zu realisieren. Wie sie zum Ziel kommen, das sollen sie selbst definieren können. Ich bin garantiert nicht der Mikromanager, der den Leuten erklärt, wie sie einen Fuß vor den anderen zu setzen haben. Es geht mir darum, Selbstwirksamkeit zu fördern. Trotzdem muss ich ihnen natürlich immer das Gefühl geben, dass sie zu mir kommen können, wenn sie eine Frage haben – und dass sie dann eine verbindliche Antwort bekommen.
An der Stelle kommt wieder etwas meine militärische Prägung durch, aber die Präzision in der Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die vermisse ich schon immer mal wieder. Dazu gehört auch, wie man seine Ressourcen definiert. Das klingt alles banal, aber wie schwer das im Alltag ist, auch mal Nein zu etwas zu sagen, das sehe ich immer wieder – natürlich gelegentlich auch bei mir. Ich stelle dann aber fest, wie dankbar die Kolleg:innen sind, wenn eben nicht rumgeiert wird, sondern eine verbindliche Aussage getroffen wird.
„Es gibt genau eine Priorität und der Rest kommt dann irgendwann.“
Da fällt mir ein, vor einigen Wochen habe ich in einem Podcast gehört, dass es in der englischen Sprache bis zum 14. Jahrhundert das Wort „priority“ nur im Singular gab. Irgendein Schlaumeier ist dann darauf gekommen, dass man durch ein „s“ auch einen Plural daraus machen könnte. Ich kann es echt nicht mehr hören, wenn Leute die ganze Zeit von ihren Prioritäten eins bis 27 reden – es gibt genau eine Priorität und der Rest kommt dann irgendwann.
Du hast 2016 deinen MBA Communication & Leadership an der Quadriga Hochschule Berlin abgeschlossen. Gibt es Momente in deinem Berufsleben, an denen du heute noch an das Studium zurückdenkst?
Auf jeden Fall. Es sind drei Sachen, die mich maßgeblich geprägt haben. Das eine ist das Netzwerk, das während des Studiums entstanden ist. Meine Kommiliton:innen damals waren ganz unterschiedlich geprägt, haben die unterschiedlichsten Einflüsse in das Studium eingebracht. Davon profitiere ich noch heute, weil ich mit einigen immer wieder im Austausch bin.
Wenn man mal bei einem Problem nicht weiterkommt, kennt man eine Person, die das entweder schon so erlebt hat oder die mit anderem komplett anderen Blickwinkel draufschaut – das ist so bereichernd. Dieses Netzwerk, diese spannenden Lebensläufe, die Möglichkeit des Austauschs ist etwas, das mich immer an die Quadriga und meinen Jahrgang erinnern wird.
„Dieses Netzwerk, diese spannenden Lebensläufe, die Möglichkeit des Austauschs ist etwas, das mich immer an die Quadriga und meinen Jahrgang erinnern wird.“
Die zwei anderen Dinge sind die Vorlesungen von Professor Storck und die von Professor Grundei. Bei Christopher Storck waren es die Themen Strategie und Kommunikationsmanagement und vor allem, das ist mir erst in meinem Job bei der MSC so richtig bewusst geworden, alles rund um das Thema Stakeholder-Management. In der grauen Theorie ist das alles leicht aufgeschrieben, aber in der Realität damit konfrontiert zu sein und zu erkennen, wie wichtig es ist, seine Stakeholder wirklich zu kennen und regelmäßig richtig zu adressieren, auch Informationen einzuholen – das ist für so viele Lebenssituationen, für so viele berufliche Projekte eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Basis. Das in seinen Vorlesungen mitzubekommen, war superspannend.
Bei Jens Grundei war es die Organisation an sich oder die Frage, wie sich Organisationen und Abteilungen organisieren. Derzeit befinden wir uns bei der MSC in einem anlaufenden Change-Prozess, in dem wir prüfen, welche Themen wo in unserer Organisation verankert sind und wie es sein müsste, damit wir wirklich effizient arbeiten können. Zu diesen Themen habe ich sehr viel mitgenommen aus dem Studium und das ist auch etwas, das mich noch jahrelang beruflich begleiten wird.
An die nachfolgenden Studiengenerationen an der Quadriga Hochschule: Welche Tipps möchtest du den Führungskräften der Zukunft mit auf den Weg geben?
Es gibt so viele Trends, so viele Themen – ob im Studium oder anderen Weiterbildungen – aber das, was eine Führungskraft von heute, morgen und übermorgen unbedingt verinnerlicht haben sollte, ist die Basis menschlicher Kommunikation. Ich rede da von ganz einfachen Modellen wie dem von Friedemann Schulz von Thun. Sowas ist in vielen Weiterbildungsangeboten völlig unterrepräsentiert.
Wie wichtig es sein kann, diese Metaebene der Kommunikation zu beleuchten, ist mir erst in den letzten Jahren so richtig klargeworden. Gerade in Situationen – und das bleibt im Berufsleben einfach nicht aus – in denen es mal zwischenmenschlich knirscht. Deswegen sollte man sich auch unbedingt mit der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg auseinandersetzen.
„Wir sollten doppelt so viel zuhören wie wir erzählen.“
Darauf aufbauend kann ich nur empfehlen, sich als Führungskraft intensiv mit seiner persönlichen Haltung zu sich selbst, zu den Kolleg:innen und zu den Vorgesetzten auseinanderzusetzen. Schaffe ich es immer, meinem Gegenüber aktiv zuzuhören, um ihn und seine Lebenswelt wirklich verstehen zu können? Schaffe ich es auch in kritischen Situationen herauszufinden, was das eigentliche Bedürfnis des Anderen ist? In dem Zusammenhang habe ich letztens einen netten Spruch gehört: Gott hat uns zwei Ohren, aber nur einen Mund gegeben. Das heißt also, wir sollten doppelt so viel zuhören wie wir erzählen – damit ist man als Führungskraft gut beraten.
Nach mehr als vier Jahren als Director of Communications bei der Münchner Sicherheitskonferenz wechselte Johannes Schmid im März 2021 auf eigenen Wunsch in die neu geschaffene Rolle des Chief Operating Officers der weltweit größten Konferenz im Bereich der Außen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der ehemalige Bundeswehroffizier war als Pressesprecher der Bundeswehr 2013 für ein halbes Jahr in Afghanistan und 2016 im Bundesministerium der Verteidigung als Referent im Presse- und Informationsstab.
Der Absolvent des „MBA Communication&Leadership“ und leidenschaftliche Ausdauersportler sammelte in seinen diversen Tätigkeiten zahlreiche Erfahrungen in den Bereichen der CEO-Positionierung, Krisenkommunikation und strategischen Kommunikation.
Prof. Dr. Christopher Storck ist Professor für Strategie und Kommunikationsmanagement an der Quadriga Hochschule Berlin.
Parallel dazu ist er Co-Head of Tech & Transformation bei Finsbury Glover Hering EuropePartner, einem der führenden globalen Beratungsunternehmen für strategische Kommunikation und Public Affairs. Zuvor und bis zum Zusammenschluss mit Finsbury war Christopher Storck in gleicher Position beim Beratungsunternehmen Hering Schuppener tätig. Er beschäftigt sich mit der Transformation von Unternehmen und den damit verbundenen neuen Anforderungen an deren Kommunikationsfunktionen. Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit bilden die Formulierung und Kommunikation von Strategien, der Aufbau und Schutz wirtschaftlich relevanter Reputation sowie die Reorganisation und Weiterentwicklung von Kommunikationsabteilungen.
Prof. Storck arbeitet seit 2004 an der Schnittstelle zwischen Beratung, Forschung und Lehre, u.a. als Leitungskreis-Mitglied des Fachkreises Kommunikations-Controlling im Internationalen Controller Verein (ICV). Er ist ferner wissenschaftlicher Beirat des Bundesverbands der Kommunikatoren (BdKom). Von 2009 bis 2013 war er Vorsitzender des Arbeitskreises “Wertschöpfung durch Kommunikation” der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG).
Vor seinem Wechsel zu Hering Schuppener im Jahr 2000 war Storck Hochschulassistent an der Universität zu Köln und leitete die Redaktion eines Wissenschaftsmagazins für internationales und ethnisches Konfliktmanagement.
Prof. Storck ist zertifizierter Business Coach der EBS Universität für Wirtschaft & Recht in Wiesbaden und hat an der Universität zu Köln sowie der Univerzita Karlova in Prag Osteuropäische Geschichte, Philosophie und Slawistik studiert.
Jens Grundei studierte Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin und – als Stipendiat des DAAD – an der University of Illinois at Urbana-Champaign. An der Technischen Universität Berlin erfolgten 1999 die Promotion und 2005 die Habilitation für das Fach Betriebswirtschaftslehre. Vor seiner Berufung an die Quadriga Hochschule im Jahr 2012 war er an verschiedenen anderen Hochschulen als Dozent bzw. Professor tätig.
Als Leiter des Arbeitskreises „Organisation” der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft und als Mitglied der gfo – Gesellschaft für Organisation (2013-2016 im Vorstand) liegt ihm der Austausch zwischen Hochschule und Praxis auf dem Gebiet der Unternehmensorganisation besonders am Herzen.